Business-Zombie: Warum viele Produkte und Dienstleistungen einem den letzten Nerv rauben

Komplexität als Kauflust-Killer. Wie Sie mit Vereinfachung Produkte und Dienstleistungen wieder kundenfreundlich gestalten, Ihre MitarbeiterInnen motivieren und den Geschäftserfolg steigern.

Von Alexander M. Schmid


Zombie im Stress, © Bianca Fuhrmann- Die lange Business-Zombie Woche 2014 #BusinessZombie
Zombie im Stress, © Bianca Fuhrmann

Aus meinem Leben als Kunde:

16h00: Freitag Nachmittag. Der Kalender erinnert an eine Geburtstagseinladung. Ich erinnere mich noch kein Geschenk organsiert zu haben. Ich werde nervös.

16h05: Ein Geistesblitz erinnert mich daran, ein Foto des Geburtstagskind mit einem neuen LEGO-Bausatz auf Facebook gesehen zu haben.

16h35: Ich stehe im nächstgelegenen LEGO-Store und finde nach kurzem Suchen ein passendes Ergänzungsset. Heureka.


Uhr, © Bianca Fuhrmann- Die lange Business-Zombie Woche 2014 #BusinessZombie
Uhr, © Bianca Fuhrmann

16h40: Ab zur Kasse. Ich frage während des Zahlens ob ich das Geschenk auch als verpackt haben könnte.

16h41: „Leider nein. Diesen Service haben wir nicht.“ Ernüchterung.

16h43: Ich verlasse verärgert das Geschäft und fühle mich im Stich gelassen. Aus der Traum von „Mit hübsch verpackten Geschenk bei der Geburtstagsfeier auftauchen und der Hero sein.“

 

Solche Situationen rauben einem, womöglich auch Ihren (?) Kunden, den letzten Nerv. Oft ist unnötige Komplexität der Auslöser für solche Situationen. 

 

Wie kommt es zum Business-Zombie Komplexität?

In den meisten Fällen entsteht die Komplexität dadurch, dass aus der Sicht des Unternehmens und nicht aus der Kundensicht gedacht wird. Paradoxer Weise, sind viele Unternehmen erst dadurch entstanden, dass sich ein genervter Kunde eine bessere Lösung für sein spezifisches Problem überlegt hat. Dann allerdings, wird seine Problemlösung potentiell zu einer die wiederum jemanden anderen nervt. Um diesen Endlosschleife zu unterbrechen, muss man zuerst die Komplexitäts-Arten unterscheiden lernen. 


Komplexitäts-Arten:

Organisations-Komplexitätentsteht dann, wenn zu viele und unklare Vorschriften oder Arbeitsanweisungen Mitarbeiter einschränken ihren Job zu machen und mit Flexibilität und Eigenverantwortung auf besondere Situationen zu reagieren. 

Technische Komplexität: Ein Produkt ist dann technisch zu komplex, wenn durch die Anzahl der Funktionen der ursprüngliche Sinn und Zweck nicht mehr erkennbar ist oder nicht mehr in akzeptabler Qualität ausgeführt wird.

 

Kaufkomplexität: wenn der Kauf eines Produkts oder Dienstleistung für Ihren Kunden zu umständlich ist oder unbequem ist. Ein Geschenk, womöglich unter Zeitdruck, zu kaufen und keine Option für eine Verpackung zu haben, erschwert für den Kunden den gesamten Kaufvorgang, von Auswahl des Geschenks bis hin zur Übergabe, beträchtlich.

 

Soziale Komplexität entsteht dann, wenn an den Erwerb des Produkts / Dienstleistung soziale Erwartungen geknüpft werden und diese nicht erkennbar sind. Ein Statussymbol, dass als solches verkauft wird und nicht nach außen hin sichtbar gemacht wird, wird vom Kunden nicht akzeptiert.

 

Mein Voodoo-Ansatz: Vereinfachung

Voodoo-Puppe, © Bianca Fuhrmann- Die lange Business-Zombie Woche 2014 #BusinessZombie
Voodoo-Puppe, © Bianca Fuhrmann

In fast allen Lebensbereichen gibt es heute ein sehr vielfältiges Angebot gibt. Das ist einerseits gut, da für jeden etwas dabei ist. Andererseits wird es immer schwieriger, richtig zu entscheiden. Unser Bedürfnis, immer die richtige Wahl zu treffen, ist inzwischen sehr stark ausgeprägt. Deswegen ist es notwendig, unseren Kunden die Wahl zu vereinfachen und, was noch wichtiger ist, ihnen das Gefühl geben richtig entschieden zu haben.

 

 

 

 

Den Hebel der Vereinfachung setzt man an drei Stellen an:

 

  • Positionierung und Wahrnehmung: es ist wichtig, sich im Markt stabil zu positionieren und entsprechende Wahrnehmung zu sorgen. Damit meine ich eine einprägsame Botschaft als Orientierungshilfe für den Kunden. Jeder kennt die Slogans von deutschen Automarken die seit Jahrzehnten konstant verwendet werden. (Vorsprung durch Technik; Freude am Fahren; Das Beste oder nichts) Diese kommunizieren die Daseinsberechtigung des Unternehmens und beantworten unterbewusst die Frage des Kunden: Warum soll ich bei Ihnen kaufen?

 

  • Ablauforganisation: statt Mitarbeiterhandbücher in Telefonbuchstärke sind wenige aber sehr klare Richtlinien, die vor allem von den Führungskräften eingehalten und vorgelebt werden müssen, wesentlich effektiver. Verstehen Sie diese Richtlinien wie Leitplanken auf der Autobahn. Innerhalb der Leitplanken darf jeder die Spur frei wählen und alles außerhalb ist tabu. Sie geben damit die Fahrtrichtung für das Unternehmen vor und ihr Team darf darauf vertrauen nicht von plötzlichem Querverkehr überrascht zu werden.

 

  • Produkt / Service Eigenschaften: für den Kunden muss der Nutzen eines Produkts und der Mehrwert einer Dienstleistung klar erkennbar und für seine Lebenssituation zuordenbar sein. Kennen Sie diese Multifunktionsgeräte, die drucken, kopieren, scannen und faxen können? Leider sind die Geräte noch immer so konstruiert, dass meistens beim Ausfall einer Funktion letztendlich gar nichts mehr funktioniert. Übrigens: warum haben aktuelle Geräte noch immer ein Fax-Modul eingebaut? Tendenziell gilt, dass „Weniger und Besser“ ein guter Grundsatz für die Produkt- und Servicegestaltung ist. Weniger Funktion und diese dafür mit außerordentlich guter Qualität bereitstellen, sorgt für bessere Akzeptanz durch den Kunden.  

 

Drei Rituale für Vereinfachung, © Bianca Fuhrmann - Die lange Business-Zombie Woche 2014 #BusinessZombie
Drei Rituale für Vereinfachung, © Bianca Fuhrmann

Drei Rituale für Vereinfachung

Um die drei Hebel für Vereinfachung nun effektiv anzuwenden, helfen Ihnen Rituale.  Die folgenden drei Rituale haben sich als sehr hilfreich erwiesen:

  • Kundenempathie – In den Schuhen des Kunden ein Stück deren Weges gehen. Die amerikanische Design-Agentur IDEO wurde einst von einem Krankenhaus beauftragt, den Aufenthalt der Patienten angenehmer gestalten. Zu diesem Zweck wurde ein Mitarbeiter mit einer fiktiven Diagnose im Krankenhaus aufgenommen und hat mit einer Videokamera am Kopf die Perspektive des Patienten dokumentiert. Das Ergebnis war: 45min eintönig weiße Decke. Somit war klar, dass die erste, einfachste und zugleich günstigste Maßnahme eine angenehmere Deckengestaltung ist.

 

  • Kunden beobachten und ihr Problem formulieren lassen – Kunden in ihrer üblichen Umgebung dabei zu beobachten, wie sie mit Ihren Produkten umgehen bietet viel Aufschluss über Verbesserungsmöglichkeiten. Dabei ergeben sich die Fragestellungen, warum der Kunde das Produkt so verwendet und vielleicht nicht so wie es von Ihnen gedacht wurde. 

 

  • Die 5xWarum-Fragesequenz – um dem eigentlichen Kundenbedürfnis auf den Grund zu gehen, hat sich die 5xWarum-Fragesequenz etabliert. Beispiel: „Frage: Warum haben Sie diese Bohrmaschine gekauft? Antwort: Weil sie gut in der Hand liegt. Frage: Warum liegt die Bohrmaschine gut in der Hand?“ Das wiederholen Sie fünf mal und am Ende findet sich der wahre Beweggrund bzw. die Problemstellung die der Kunde lösen möchte.

 

Auflösung:

Nahe dem LEGO-Store befand sich eine Papierhandlung die kleine Geschenktragetaschen im Angebot hatte – gut passend für die kleine Schachtel. Ich konnte dann trotzdem als Hero bei der Party auftauchen und das Geburtstagskind hatte eine große Freude mit dem Geschenk.

Mein Tipp für das Geschäft: Ein paar Bögen [LEGO]Geschenkpapier bereit legen und auf Wunsch einfach einpacken. Kunden würden das sicher, nicht nur zur bevorstehenden Weihnachtszeit, sehr schätzen.

 

Zusammenfassung

Wir als Kunden kaufen Produkte und konsumieren Dienstleistungen, weil sie einen spezifischen Job für uns erledigen. Je genauer dieser Job für uns erkennbar ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit das wir kaufen, konsumieren und damit zufrieden sind.

Produkte und Dienstleistungen müssen einfach zu verstehen und zu betreiben sein. Für Kunden UND Mitarbeiter des Unternehmens.

 

Ihr

Alexander M. Schmid

(Der Vereinfacher)

www.breakingbarriers.com


Fotorechte Autorenporträt: © kunstfotografin.at, Alexander M. Schmid

Illustrationen: © Bianca Fuhrmann


Alexander M. Schmid

© kunstfotografin.at, Alexander M. Schmid - Die lange Business-Zombie Woche 2014 #BusinessZombie
© kunstfotografin.at, Alexander M. Schmid

Alexander M. Schmid

Der Vereinfacher


Er hat sich darauf spezialisiert, Organisationen und deren Produkte und Dienstleistungen zu vereinfachen. Besonders wichtig ist ihm dabei, aus vorhandenen Ressourcen neue Wettbewerbsvorteile zu entwickeln.

 

Kontakt:

a.schmid@breakingbarries.com

www.breakingbarriers.com


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Die lange Business-Zombie-Woche, 22.-31.10.2014, © Bianca Fuhrmann #BusinessZombie
Die lange Business-Zombie-Woche, 22.-31.10.2014, © Bianca Fuhrmann

Über Bianca Fuhrmann

Bianca Fuhrmann, Diplom-Ingenieurin, systemischer Business Coach (SHB), Buchautorin und Vortragsrednerin, ist seit über 15 Jahren als Expertin in der Führungskräfteentwicklung und im Projekt-Krisenmanagement tätig.

Sie ist die Entwicklerin der Projekt-Voodoo®-Strategie für Führungskräfte und berät Unternehmen, wie diese Zombie-Projekte wiederbeleben können.


Ihr Buch zum Thema trägt den Titel „PROJEKT-VOODOO®.


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Kommentare: 3
  • #1

    Robert (Samstag, 25 Oktober 2014 19:01)

    Da fällt mir ein ähnliches Erlebnis in. Nespresso Flagship-Store, Theatinerstraße, beste Adresse München. Zwei edel gekleidete Security Leute mustern mich. Ich darf rein - Glück gehabt! Ich suche für einen Freund edle Sachen zum Geburtstag aus. Ich bitte die schicke Lady alles als Geschenk zu verpacken. Antwort der Dame, wirklich höflich: "Wir haben leider keine Geschenkverpackungen." Meine Antwort: "Das tut mir auch leid, dann kaufe ich nichts."

  • #2

    Bianca (Samstag, 25 Oktober 2014 19:32)

    Egal ob Lego oder Nespresso, die Geschäfte sind echt austauschbar.
    Querdenken und mal zu überleben was der Kunde braucht, damit er wirklich glücklich und zufrieden das Geschäft verläßt, dass wird in der Regel nicht angewendet.
    Das ist sehr trauig und schadet am Ende dem Unternehmen am meisten.

  • #3

    Silvia (Samstag, 25 Oktober 2014 22:14)

    Ich kenne das auch - vor allem am Erdinger Volksfest beim Mandelstand. "Können Sie mir eine Mischung zusammenstellen." frage ich höflich. Er: "Nein - sowas machen wir nicht. Sie müssen schon nehmen was da ist." In den Schuhen des Kunden war der Verkäufer sicherlich nicht unterwegs. Gekauft habe ich dann nix. Schade, Chance vertan.